Suchttherapie durch einen systemischen Ansatz erweitern

Systemische und individualpsychologische (z.B. verhaltenstherapeutische) Ansätze ergänzen sich in der Suchttherapie. Werden die Angehörigen in die Behandlung einbezogen, steigen die Erfolgschancen, empfiehlt Prof. Dr. Michael Klein im Reader Systemische Suchttherapie. „Ich denke, es wäre eine erhebliche Verbesserung, wenn in der Suchthilfepraxis zu einem regelhaften Vorgehen gefunden würde, bei dem die Familie mit in den Blick genommen wird. Auch in der Entwicklung und Verfolgung bestimmter Therapieziele sehe ich gute Möglichkeiten der Anwendung systemischen Denkens.“

Warum lassen sich ambulante Dienste wenig darauf ein? Klein: „Der Suchthilfebereich als Ganzes entwickelt zu wenig Fantasie und Flexibilität, vielleicht als Isomorphie zum Suchtsystem als solches. Kennzeichnend für die Suchthilfe sind ihr großes Beharrungsvermögen und der mangelnde Transfer zwischen Forschung und Praxis.“

Für die Herausgeber des Readers geht es in der systemischen Suchttherapie darum, „süchtiges Verhalten als Transaktionsmuster zu erkennen und zu benennen. Eine individuelle Diagnose oder Stigmatisierung des ´Symptomträgers´ halten wir nicht für hilfreich und förderlich. Wir definieren dabei das Phänomen Sucht als eine Spirale von Transaktionsmustern aller Beteiligten.

Dies bedeutet für uns als systemische Therapeuten, dass die Verhaltensweisen aller Beteiligten miteinander in Beziehung gebracht werden. Dabei ist es unerheblich, ob das ´süchtige Verhalten´ als Reaktion auf die Verhaltensweisen der anderen Menschen oder umgekehrt gesehen wird. ´Süchtiges Verhalten´ und auch jeder Rückfall sind in ihren Kontext zu stellen in Bezug auf Raum, Zeit und Beziehungen.

Die therapeutische Herausforderung und Kunst besteht darin, Unterschiedlichkeiten und Individuation zu fördern, um so die süchtigen Transaktionsmuster, die sich in Delegation von Verantwortung und offenen und versteckten Abhängigkeiten zeigen, zu verändern. Zum therapeutischen Vorgehen gehört weiterhin, Auseinandersetzungen und Konfrontation dort zu initiieren, wo unterschiedliche Meinungen als bedrohlich erlebt werden…“

Prof. Dr. Jürgen Kriz greift mit seinem systemischen Ansatz weit über den familiären Bezugsrahmen hinaus: „Es ist nur zu verständlich, wenn Menschen, die in hohem Maß der Sinnlosigkeit multimedialer Gaukelwelten, zynischer Politiker und gewinnsüchtiger Zukunftsdestruktionen ausgesetzt sind, und die von ihrer sozialen Umgebung Beziehungen zu Menschen und zu Dingen vorwiegend als Suchtbeziehungen vorgelebt bekommen, selbst nicht nur ´auch süchtig´ werden, sondern konsequenterweise Suchtformen wählen, mit denen sie diese erlebte Sinnlosigkeit zumindest zeitweise aus dem Bewusstsein bannen können, indem sie Techniken oder Stoffe wählen, welche die Distanzierung aus dem ´Hier´ und ´Jetzt´ , das (reflexive) Bewusstsein, unterbinden …“

Systemische Suchttherapie
Haja Molter, Gisela Osterhold (Hrsg.)
Asanger Verlag

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