Warum Frauen immer häufiger und anders süchtig werden als Männer

Suchttherapie gelingt nachhaltiger, wenn sie bereits mit Beginn der Diagnostik genderspezifisch denkt. Der aktuelle Reader Gender.Frau.Sucht bietet die aktuellen Informationen und Empfehlungen.

Bei Frauen sieht Dr. Monika Vogelgesang Sucht häufig als Viktimisationsfolge: „Seelischer, körperlicher, sexueller Missbrauch führen zur Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen in vielfältigsten Formen. Suchtmittel werden eingesetzt, um Folgestörungen wie z.B. vermehrte Angst, Schlafstörungen, Schwierigkeiten bei der Affektregulation, Depressivität, posttraumatische Belastungsstörungen etc. zu bekämpfen.“ 

Rollenkonflikte zwischen engagierter Berufstätigkeit einerseits und traditioneller Familienorientierung anderseits erzeugen häufig Unzufriedenheit, Anspannung, Einengung, Überforderung. „Suchtmittel bieten sich hierbei als Spannungslöser an …“   Süchtige Mütter erleben, wie sich ihr Verhältnis zu den Kindern unglücklich verändert. „Daraus resultieren gravierende Schuld- und Schamgefühle, die einerseits zu dysfunktionalen hyperkompensatorisch verwöhnenden Verhaltensweisen gegenüber den Kindern führen können, andererseits jedoch oft in einem Circulus vitiosus die weitere Suchtmitteleinnahme perpetuieren …“

„Bei mehr als doppelt so vielen Frauen wie bei Männern werden Angststörungen diagnistiziert. Angstlösende Effekte finden sich bei Anxiolytika und Sedativa, aber auch bei Alkohol und Cannabis. Insofern ist der Einsatz dieser Suchtmittel bei Angstsymptomen nachvollziehbar. Allerdings verhindert er eine Angstverarbeitung, sodass Betroffene durch das Suchtmittel gleichsam in der Angst gefangen bleiben. Die Chronifizierung beider Störungen wird dadurch gefördert, dass beide die Tendenz zur Symptomausweitung haben …“ Monika Vogelgesang nennt eine große Zahl biologischer, psychischer und sozialer Einflussfaktoren.

Prof. Dr. Heino Stöver stellt in seinem Beitrag die spezifischen Suchtfaktoren des Mannes gegenüber und kommentiert: „Das strukturelle Problem der mangelnden Thematisierung von Genderthemen liegt darin, dass überwiegend weibliche Fachkräfte (oft jung) eine überwiegend männliche (und häufig ältere) Klientel beraten und behandeln – ohne darauf entsprechend vorbereitet zu sein…“

GENDER.FRAU.SUCHT.
Genderfragen in (Post-)Corona-Zeiten
Stöver, Heino & Lieb, Christiane (Hrsg.)
Pabst, 120 Seiten

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Geschlecht und Sucht
Wie gendersensible Suchtarbeit gelingen kann
Heinzen-Voß, Doris; Stöver, Heino (Hrsg.)
Pabst, 232 Seiten

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