Suchterkrankung häufig Folge einer Kriegstraumatisierung

Das ICF ist ein Klassifikationssystem, das Erkrankungen in ihrem biopsychosozialen, historischen Kontext zu verstehen versucht. Professor Dr. Ruthard Stachowske beschreibt und analysiert entsprechend Suchterkrankungen bei PatientInnen, die als Nachfahren von NS-Tätern oder NS-Opfern sekundär traumatisiert waren. Anhand konkreter Beispiele und Genogramm-Analysen verdeutlicht er in seiner Monografie Sucht und Drogen im ICF-Modell Diagnostik und Therapie betroffener Abhängigkeitskranker.

„Die Generationen nach dem Holocaust leben in einer ´neuen familiären Zeit´- sie sind von ihrer Familiengeschichte und der Geschichte ihrer ethnischen Gruppe und ihrem besonderen Kontext abgeschnitten. Dies weil das Zurückgehen in die Familiengeschichte bedeuten würde, sich erneut dem Grauen zu stellen – einem Grauen in der Seele ihrer Eltern oder Großeltern. Die Schwierigkeit, eine Sprache für das erlebte ethnisch-kollektive und familiäre Grauen zu finden, führte zu einem Bruch in der Tradition der Generationen. Neue Generationen waren von ihren familiären und kulturellen ethnischen Wurzeln ´abgeschnitten´. Die Traumata lagen wie ein Schleier auf diesem wichtigen Teil der Identität.“

„Die erste Generation nach den NS-Betroffenen lebte durch ihre Nähe zu den verletzten Seelen ihrer Eltern sehr viel mehr mit den Traumata. Dadurch war sie ´gebunden´ , ihr war die Aufgabe als ´Gedenkkerze´ übertragen, und sie war in einem unfreien Dialog mit ihren Eltern eingebunden. Die Kinder der zweiten Generation sind durch ihren Platz im ´Generationsverpflichtungsnetz´ nur indirekt an den Urtraumata beteiligt – sie ahnt die Familiengeschichte, jedoch ist ihre Freiheit größer, sie hat die Chance, nur gebunden im Bewusstsein der Zugehörigkeit zu ihrer Familie und ihrer ethnischen Gruppe, aktiv das erahnte Grauen zu bewältigen.“ 

Die Bearbeitung der Traumata ist Kern der Suchttherapie – auch aktuell bei Kriegsflüchtlingen …

Sucht und Drogen im ICF-Modell
Genogramm-Analysen in der Therapie der Abhängigkeit.
Ruthard Stachowske
2008, 400 S.,

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